Die 10 goldenen Regeln für die perfekte Rede

Thomas Huber: Die 10 goldenen Regeln für die perfekte Rede

Von Thomas Huber | Dezember 2012

1. Konflikt

Sprechen Sie endlich mit uns! Der Konflikt ist doch schon längst auf dem Tisch: Die gegenwärtige Finanz- und Verschuldungskrise erzwingt geradezu, über das Spannungsverhältnis von Demokratie und Kapitalismus neu zu streiten. Die Bürger fragen: „Wer zahlt jetzt eigentlich die Zeche?“ „Was ist mit unserer Ordnung nicht mehr in Ordnung?“ Deshalb müssen Sie als Manager und Wirtschaftsführer in den Ring: Überlassen Sie die Talkshows nicht irgendwelchen bizarren Textilfabrikanten, Kosmetikladys oder einen Industrieverbands-Rentner mit zweifelhaften Ambitionen.

2. Konsens

Die Rede ist das zentrale Führungsinstrument, das nach innen Gefolgschaft und nach außen Aufmerksamkeit für Sie und Ihre Ziele organisiert. Mitarbeiter wissen längst, dass sie im Intranet und in der Mitarbeiterzeitung doch nur reine Unternehmens-Propaganda erwartet. Um so wirkungsvoller ist es, wenn der Chef mal selbst das Wort ergreift, um ein paar Takte Klartext an die Belegschaft zu richten. Das ist authentisch und zeigt Wirkung – wenn es gut gemacht und glaubwürdig ist. Und für die Öffentlichkeit sind die Reden des CEOs mittlerweile der einzige Steinbruch, bei dem es sich zu graben lohnt. Hier kann man noch in vollständigen Sätzen die Unternehmensstrategie oder die gesellschaftspolitischen Reflexionen des Managements lesen, die sich sonst hinter inhaltsleeren Präsentationen und den Vorschriften der Finanzmarktkommunikation verstecken können.

3. Konfiguration

Bevor Sie das Wort ergreifen, sollten Sie sich vergewissern, von welchem Ort aus Sie eigentlich sprechen. Welche Rolle spielen Sie? Sind Sie in diesem Spiel der böse Wolf, dann fressen Sie bitte nicht zu viel Kreide. Entwickeln Sie zuerst eine Positionierung für sich und ihr Unternehmen oder für Ihre Marke. Erarbeiten Sie eine stabile und langfristig belastbare Kommunikationsstrategie. Konfigurieren Sie dann den semantischen Raum, in dem Sie sich bewegen wollen, und verlasen Sie diesen nicht, sonst verlieren Sie Authentizität und Glaubwürdigkeit. Das Wort „Realwirtschaft“ hat aus dem Mund eines mittelständischen Werkzeugmaschinenherstellers einen anderen Klang als bei einem Bankmanager.

4. Kontext

Wenn Sie Ihren eigenen Ort und Ihre eigene Agenda bestimmt haben, dann setzen Sie sich ins Verhältnis zu den anderen Mitspielern der Gesellschaft. Die haben alle eine andere Agenda. Deshalb sollten Sie sich mit den verwandten Diskursen in der Politik, in der Wissenschaft und im Feuilleton beschäftigen, die im Zusammenhang mit Ihrer Agenda stehen. Lesen Sie deshalb selbst Handelsblatt oder „FAZ“ und auch internationale Publikationen, statt immer nur den eigenen Ausschnittdienst. Bleiben Sie anschlussfähig.

5. Konsequenz

Um eine gute Rede zu halten, müssen Sie kein Charismatiker sein. Arbeiten Sie nicht nur an Äußerlichkeiten, sondern vor allem an Ihren Inhalten. Je intensiver Sie Ihre Inhalte für sich selbst aufbereiten, desto sicherer wird Ihr Auftreten sein. Je unbequemer Ihr Thema, desto wichtiger wird Ihre konsequente Argumentation. Damit Sie nicht sofort bei der ersten Nachfrage aus dem Publikum einbrechen, achten Sie darauf, dass die Rede, die für Sie vorbereitet wurde, wirklich zu Ihnen passt. Versuchen Sie, die Rede mit eigenen Worten so lange zusammenzufassen, bis diese in Fleisch und Blut übergeht. Das hat mit Auswendiglernen und Einstudieren wenig zu tun. Die Schönheit einer Rede kommt von innen! Deshalb ist die Frage entscheidend: Können Sie diese Rede wirklich selbst sprechen?

6. Kommunikation

Wichtig für die direkte Kommunikation ist die Zeit, die Sie Ihrem Publikum stehlen wollen: Sprechen Sie nicht länger als 30 Minuten! Sie sind nicht Fidel Castro. Die ideale Rede, die gibt es sowieso nicht. Es gibt stattdessen leider unendlich viele Möglichkeiten, Inhalte in Sprechzettel aufzubereiten. Selbstverständlich gibt es viele Faustregeln für eine gute Kommunikation: Sprechen Sie nur in aktiven Verben, um als Handelnder und nicht als Getriebener dazustehen. Verwenden Sie kurze Sätze und Sprachbilder, die wirklich passen, … und so weiter. Aber der Satzbau und der Sprachpapst entscheiden letztlich nicht über den Erfolg einer Rede! Die Rhetorik muss zwingend zum Temperament des Redners passen. Aber auch das Publikum ist wichtig: Sprechen Sie vor einem Nichtschwimmer- oder vor einem Haifischbecken?

7. Kategorien

Noch wichtiger als das Sprachgefühl ist die Sicherheit im Umgang mit Kategorien. Sie sollten unbedingt darauf achten, dass Sie mit den Kategorien (Demokratie, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, etc.), die Sie in Ihrer Rede verwenden, die exakt gleiche Bedeutung meinen, die Ihr Publikum mit diesen Begriffen assoziiert. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Sie sich im Zweifel lieber an der Deutungshoheit des Publikums orientieren.

8. Kanon

Um sich in der Mediengesellschaft Gehör zu verschaffen, ist es wichtig, dass Sie Ihre Botschaften ständig wiederholen. Erarbeiten Sie sich aus Ihrer Agenda einen Kanon überzeugender Thesen und inhaltlicher Grundsätze, die Sie jederzeit abrufen und schlafwandlerisch variieren können. Verknüpfen Sie Ihre Themen mit dazu passenden phänomenologischen Alltagserfahrungen zu einer immer dichteren Erzählung. Menschen lieben Geschichten.

9. Konsistenz

Reden Sie Ihrem Publikum niemals nach dem Mund! In Zeiten des Internets sind Ihre Positionen sowieso jederzeit nachprüfbar. Variieren Sie Ihr Thema, aber widersprechen Sie sich nicht selbst.

10. Kontrolle

Eine Rede zu halten, die Ihre eigene Position, Haltung und Sprache vermittelt, muss natürlich von Ihnen selbst mit vorbereitet werden. Falls Sie einen externen Ghostwriter beschäftigen, behandeln Sie ihn gut. Er zerbricht sich schließlich Tag und Nacht Ihren Kopf. Aber betrachten Sie Ihn auch nicht als private Muse: Ein externer Ghostwriter muss eng in die Kommunikationsstrategie Ihrer Kommunikationsabteilung eingebunden sein. Trotzdem: Geben Sie andererseits Ihren internen Stabsabteilungen nicht zu viel Macht über Ihr gesprochenes Wort, sonst wird Ihre Rede bis zur Unkenntlichkeit weichgespült. Es ist schließlich Ihre Rede, und spätestens im Moment Ihres Auftritts treten Sie allein mit Ihr ans Rednerpult.

Von Thomas Huber | Dezember 2012

2020-03-11T16:59:48+00:00

Die 10 Regeln für die perfekte Rede

Thomas Huber: Die 10 goldenen Regeln für die perfekte Rede

Von Thomas Huber | Dezember 2012

1. Konflikt

Sprechen Sie endlich mit uns! Der Konflikt ist doch schon längst auf dem Tisch: Die gegenwärtige Finanz- und Verschuldungskrise erzwingt geradezu, über das Spannungsverhältnis von Demokratie und Kapitalismus neu zu streiten. Die Bürger fragen: „Wer zahlt jetzt eigentlich die Zeche?“ „Was ist mit unserer Ordnung nicht mehr in Ordnung?“ Deshalb müssen Sie als Manager und Wirtschaftsführer in den Ring: Überlassen Sie die Talkshows nicht irgendwelchen bizarren Textilfabrikanten, Kosmetikladys oder einen Industrieverbands-Rentner mit zweifelhaften Ambitionen.

2. Konsens

Die Rede ist das zentrale Führungsinstrument, das nach innen Gefolgschaft und nach außen Aufmerksamkeit für Sie und Ihre Ziele organisiert. Mitarbeiter wissen längst, dass sie im Intranet und in der Mitarbeiterzeitung doch nur reine Unternehmens-Propaganda erwartet. Um so wirkungsvoller ist es, wenn der Chef mal selbst das Wort ergreift, um ein paar Takte Klartext an die Belegschaft zu richten. Das ist authentisch und zeigt Wirkung – wenn es gut gemacht und glaubwürdig ist. Und für die Öffentlichkeit sind die Reden des CEOs mittlerweile der einzige Steinbruch, bei dem es sich zu graben lohnt. Hier kann man noch in vollständigen Sätzen die Unternehmensstrategie oder die gesellschaftspolitischen Reflexionen des Managements lesen, die sich sonst hinter inhaltsleeren Präsentationen und den Vorschriften der Finanzmarktkommunikation verstecken können.

3. Konfiguration

Bevor Sie das Wort ergreifen, sollten Sie sich vergewissern, von welchem Ort aus Sie eigentlich sprechen. Welche Rolle spielen Sie? Sind Sie in diesem Spiel der böse Wolf, dann fressen Sie bitte nicht zu viel Kreide. Entwickeln Sie zuerst eine Positionierung für sich und ihr Unternehmen oder für Ihre Marke. Erarbeiten Sie eine stabile und langfristig belastbare Kommunikationsstrategie. Konfigurieren Sie dann den semantischen Raum, in dem Sie sich bewegen wollen, und verlasen Sie diesen nicht, sonst verlieren Sie Authentizität und Glaubwürdigkeit. Das Wort „Realwirtschaft“ hat aus dem Mund eines mittelständischen Werkzeugmaschinenherstellers einen anderen Klang als bei einem Bankmanager.

4. Kontext

Wenn Sie Ihren eigenen Ort und Ihre eigene Agenda bestimmt haben, dann setzen Sie sich ins Verhältnis zu den anderen Mitspielern der Gesellschaft. Die haben alle eine andere Agenda. Deshalb sollten Sie sich mit den verwandten Diskursen in der Politik, in der Wissenschaft und im Feuilleton beschäftigen, die im Zusammenhang mit Ihrer Agenda stehen. Lesen Sie deshalb selbst Handelsblatt oder „FAZ“ und auch internationale Publikationen, statt immer nur den eigenen Ausschnittdienst. Bleiben Sie anschlussfähig.

5. Konsequenz

Um eine gute Rede zu halten, müssen Sie kein Charismatiker sein. Arbeiten Sie nicht nur an Äußerlichkeiten, sondern vor allem an Ihren Inhalten. Je intensiver Sie Ihre Inhalte für sich selbst aufbereiten, desto sicherer wird Ihr Auftreten sein. Je unbequemer Ihr Thema, desto wichtiger wird Ihre konsequente Argumentation. Damit Sie nicht sofort bei der ersten Nachfrage aus dem Publikum einbrechen, achten Sie darauf, dass die Rede, die für Sie vorbereitet wurde, wirklich zu Ihnen passt. Versuchen Sie, die Rede mit eigenen Worten so lange zusammenzufassen, bis diese in Fleisch und Blut übergeht. Das hat mit Auswendiglernen und Einstudieren wenig zu tun. Die Schönheit einer Rede kommt von innen! Deshalb ist die Frage entscheidend: Können Sie diese Rede wirklich selbst sprechen?

6. Kommunikation

Wichtig für die direkte Kommunikation ist die Zeit, die Sie Ihrem Publikum stehlen wollen: Sprechen Sie nicht länger als 30 Minuten! Sie sind nicht Fidel Castro. Die ideale Rede, die gibt es sowieso nicht. Es gibt stattdessen leider unendlich viele Möglichkeiten, Inhalte in Sprechzettel aufzubereiten. Selbstverständlich gibt es viele Faustregeln für eine gute Kommunikation: Sprechen Sie nur in aktiven Verben, um als Handelnder und nicht als Getriebener dazustehen. Verwenden Sie kurze Sätze und Sprachbilder, die wirklich passen, … und so weiter. Aber der Satzbau und der Sprachpapst entscheiden letztlich nicht über den Erfolg einer Rede! Die Rhetorik muss zwingend zum Temperament des Redners passen. Aber auch das Publikum ist wichtig: Sprechen Sie vor einem Nichtschwimmer- oder vor einem Haifischbecken?

7. Kategorien

Noch wichtiger als das Sprachgefühl ist die Sicherheit im Umgang mit Kategorien. Sie sollten unbedingt darauf achten, dass Sie mit den Kategorien (Demokratie, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, etc.), die Sie in Ihrer Rede verwenden, die exakt gleiche Bedeutung meinen, die Ihr Publikum mit diesen Begriffen assoziiert. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Sie sich im Zweifel lieber an der Deutungshoheit des Publikums orientieren.

8. Kanon

Um sich in der Mediengesellschaft Gehör zu verschaffen, ist es wichtig, dass Sie Ihre Botschaften ständig wiederholen. Erarbeiten Sie sich aus Ihrer Agenda einen Kanon überzeugender Thesen und inhaltlicher Grundsätze, die Sie jederzeit abrufen und schlafwandlerisch variieren können. Verknüpfen Sie Ihre Themen mit dazu passenden phänomenologischen Alltagserfahrungen zu einer immer dichteren Erzählung. Menschen lieben Geschichten.

9. Konsistenz

Reden Sie Ihrem Publikum niemals nach dem Mund! In Zeiten des Internets sind Ihre Positionen sowieso jederzeit nachprüfbar. Variieren Sie Ihr Thema, aber widersprechen Sie sich nicht selbst.

10. Kontrolle

Eine Rede zu halten, die Ihre eigene Position, Haltung und Sprache vermittelt, muss natürlich von Ihnen selbst mit vorbereitet werden. Falls Sie einen externen Ghostwriter beschäftigen, behandeln Sie ihn gut. Er zerbricht sich schließlich Tag und Nacht Ihren Kopf. Aber betrachten Sie Ihn auch nicht als private Muse: Ein externer Ghostwriter muss eng in die Kommunikationsstrategie Ihrer Kommunikationsabteilung eingebunden sein. Trotzdem: Geben Sie andererseits Ihren internen Stabsabteilungen nicht zu viel Macht über Ihr gesprochenes Wort, sonst wird Ihre Rede bis zur Unkenntlichkeit weichgespült. Es ist schließlich Ihre Rede, und spätestens im Moment Ihres Auftritts treten Sie allein mit Ihr ans Rednerpult.

Von Thomas Huber | Dezember 2012

Dieser Text ist im Original erschienen im Handelsblatt

Philipp Thesen: Transforming Industrial Design
2020-07-08T17:18:54+00:00
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