Design nach Corona: Blutarmut

Design after Corona

Von Jan-Erik Baars | Mai 2020

Besonders in den vergangenen Wochen war zu beobachten, dass wir, auf der Basis von Annahmen und Hochrechnungen, in Szenarien denken, und dies trifft ebenso auf ein „wie weiter“ nach der Krise zu. Wie geht es weiter mit Design?

Wer jetzt ernsthaft postuliert, dass er wisse, wie es sich entwickelt, den sollte man ebenso kritisch betrachten, wie man es auch mit den Aussagen von Virologen machen müsste: Anhören und reflektieren, was die anderen Stimmen sagen. Daher ist meine Annahme nur als eine Stimme von vielen zu sehen, die dazu verhelfen kann, sich ein umfassendes Bild zu machen.
Da wir nun mal alle zuerst intuitiv auf eine Situation reagieren, und erst post-faktisch rationalisieren, wird es auch mit dem Ausblick für die Designbranche ähnlich sein: Unser Gefühl sagt uns, dass es ‚ganz schlimm‘ werden wird! Aber wir sollten aus der vergangenen Reaktion auf die aktuelle Virusverbreitung gelernt haben und nun versuchen, unser intuitives Gefühl (das an sich ja nicht schlecht ist) mit Reflektion zu beruhigen.

Die aktuelle Lage ist jetzt schon, obwohl die Krise ja noch anhält, deprimierend. Bedingt durch den Lock-down können viele Unternehmen nicht anders, als ihre Aktivitäten vorerst einstellen und ausharren. Nicht weil sie nichts zu tun hätten, sondern faktisch, weil es keine Kunden gibt, die als Abnehmer zur Verfügung stehen und den Cashflow liefern – auch die Kunden sind ja im Lock-down. Und Unternehmen können ihre laufenden Kosten nur so lange tragen, wie sie liquide sind. Und auch hier geht es den Kunden ebenso.

Liquidität ist das Blut, dass die Unternehmen (und Kunden!) benötigen, um einen Kreislauf aus Bedürfnis und Erfüllung zu bedienen – umsonst geht nur die Sonne auf. Und die Kosten, die man mit den Geldern decken muss, sind, sowohl im Unternehmen als auch beim Kunden, immer eine Frage der Notwendigkeit.

In einer Krise, wie in jeder extremen Ausnahmesituation, neigen Menschen dazu sich auf ihren Instinkt zu verlassen. Auch Panik ist eine instinktive Reaktion auf eine dramatische Veränderung des Normalen. Panik, wie sie im Wörterbuch definiert wird, ist „ein Zustand intensiver Angst vor einer tatsächlichen oder angenommenen Bedrohung. Sie ist eine starke Stressreaktion des Organismus auf eine oft unerwartete und erschreckende Situation und geht einher mit vielfältigen vegetativen, körperlichen und psychischen Symptomen. Dabei kann es unter Umständen zu einer Einschränkung der höheren menschlichen Fähigkeiten kommen.» Soweit das Lexikon.

Kommen nun Panik und Mangel an Liquidität zusammen, entsteht das Potenzial für irrationale Entscheidungen: Man setzt auf das, von dem man glaubt, dass man es fürs Überleben am Dringlichsten benötigt und fokussiert sich aufs Sparen und das Wegrationalisieren von Kostentreibern. Dies ist intuitiv das Richtige, aber ist es nach der Krise auch noch das Richtige? Das zeigt sich erst dann, wenn die Panik vorüber ist.

Aber bis dahin reagieren Unternehmen auf den Zusammenbruch des Cashflows, so wie wir es als Kunde auch tun: sie stecken ihr Geld nur in das, was sie vermeintlich wirklich benötigen. In Deutschland können Unternehmen die Personalkosten senken, indem sie Kurzarbeit anmelden, aber damit überbrücken sie nur die Zeit.

Und genau hier ist die Kreativwirtschaft in der Zwickmühle. Viele der Leistungen, die sie für Unternehmen erbringen (wie Messedesign, Grafikdesign, Webseiten-Gestaltung, Text- und Photodienste, Produktgestaltung, usw.) werden jetzt abrupt gestoppt. Der Staat muss eingreifen und diese Dienstleister mit Liquidität zu versorgen, damit sie nicht vollends eingehen …
Aber auch in den Unternehmen sind die Kreativleistungen auf der Abschussliste oder werden nach hinten verschoben. Interne Designteams werden reduziert, Budgets weggekürzt und alles, was irgendwie auf die Kosten drückt und nicht ‚systemrelevant‘ ist, muss in den Lock-down, oder ganz verschwinden. Dies allerdings trifft nicht nur auf die Kreativen zu, viele weitere Dienstleister und Unternehmensfunktionen werden vor dem Hintergrund der Kostenreduzierungen um ihre Relevanz kämpfen. Hier sind alle im gleichen Boot. Entwickler werden sich genauso sorgen machen wie Vertriebler, Marketer oder Finanzbuchhalter.

Für CEOs ist dies eine kolossale Aufgabe: Sie müssen jetzt bestimmen, was ins Töpfchen und was in Kröpfchen soll! Was ist systemrelevant und was kann auf später verschoben werden oder gar ganz weggelassen werden? Und genau wie bei unseren Politikern haben die meisten diese Situation nicht geübt und sind damit schlichtweg überfordert. Viele sind aber auch einfach nicht kompetent, sie sind in Wahrheit Verwalter, die, solange alles relativ normal verläuft, auf den Gang der Dinge schauen und diese begleiten, statt zu leiten. Jetzt jedoch ist Führungskraft nötig, um in der Krise das Richtige zu tun – die Verantwortlichen müssen die Zukunft gestalten und ihre Unternehmung in diese Zukunft führen!

Demnächst Teil 2: Systemrelevant

Von Jan-Erik Baars | Mai 2020